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Klangwelten

Aus unserem Repertoire der Jahre 1999 bis 2004

2004

Die CD ist im Handel nicht frei erhältlich. Sie kann unter cds@vokalensemble-hannover.de bestellt werden.

Ausführende Junges Vokalensemble Hannover
Leitung: Klaus-Jürgen Etzold
Aufnahme Norddeutscher Rundfunk, Landesfunkhaus Niedersachsen, Kleiner Sendesaal, am 18.1.2003, 24./25.5.2003 und 5.7.2003
Produzent Rudolf Krieger
Tonmeister Ingmar Haas
Toningenieur Martin Lohmann
Herausgeber Junges Vokalensemble Hannover e. V.
Cover und Booklet-Gestaltung Florian Arnold

Inhalt

1 Johannes Brahms Wach auf!
2 Claude Debussy Dieu! Qu'il la fait bon regarder
3 György Ligeti Pápainé
4 Eric Whitacre Water night
5 David Willcocks (arr.) Tomorrow shall be my dancing day
6 Morten Lauridsen O magnum mysterium
7 Vytautas Miškinis Pater noster
8 William Dawson Ezekiel saw de wheel
9 James Erb (arr.) Shenandoah
10 R. Emerson The lion sleeps tonight
11 A. P. del Rosario, arr. A. Zamora Minsang lang kitang iibigin
12 John Rutter It was a lover and his lass
13 Heinrich Schütz So fahr ich hin zu Jesu Christ
14 Peter Tschaikowsky Blazheni yazhe izbral
15 Giuseppe Verdi Pater noster
16 M. Praetorius/Jan Sandström Es ist ein Ros entsprungen
17 Helmut Koch Lügenmärchen
18 Friedrich Silcher Die Loreley
19 Ralph Hoffmann (arr.) Es klappert die Mühle
20 Sir Charles Villiers Stanford The blue bird
21 Gabriel Gideon Cillié Magaliesburgse Aandlied

Neue Horizonte durch die Musik

Der Name "Klangwelten" steht für ein stilistisch und regional breit angelegtes Programm, welches das Junge Vokalensemble Hannover größtenteils unter dem Titel "Eine musikalische Weltreise" mehrfach auf der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover und darüber hinaus in zahlreichen Konzerten und auf Gastspielreisen nach Ägypten (2001), Österreich (2001), Mexiko (2002), Russland (2004) und Albanien (2004) aufgeführt hat.

Es sind Komponisten und Werke aus insgesamt dreizehn Ländern vertreten: Deutschland, England, Frankreich, Irland, Italien, Litauen, Namibia, Philippinen, Russland, Südafrika, Schweden, Ungarn und USA. Sämtliche 21 Stücke werden in der Originalsprache gesungen. In allen entsprechenden Fällen hat der Chor wertvolle Hilfe durch Muttersprachler gefunden, insbesondere bei den Kompositionen mit italienischem, namibischem, philippinischem, russischem und ungarischem Text.

Mehrere Kompositionen wurden aus konkreten Anlässen ins Programm aufgenommen. So waren Ligetis Volksballade Pápainé wie auch Stanfords bezaubernde Naturidylle The blue bird Pflichtstücke beim Internationalen Chorwettbewerb 2001 in Spittal/Österreich. Das durchaus langwierige Erlernen des ungarischen Textes von Pápainé wurde in Spittal mit der Höchstpunktzahl und dem 2. Preis belohnt. Für die Aufführung dieses Werkes erhielt der Chor beim 5. Deutschen Chorwettbewerb 2002 in Osnabrück neben dem 2. Preis in der Kategorie für semiprofessionelle Chöre auch den "Sonderpreis für die hervorragende Interpretation eines zeitgenössischen Werkes".

Ligeti beschreibt in seiner Ballade den Besuch von neun Söldnern auf dem Bauernhof der Witwe Pápai und ihrer Tochter. Nach einer scheinbar freundlichen Begrüßung schickt die Mutter ihre Tochter um Wein zu holen. Sie bemerkt jedoch die betrügerischen Absichten der Männer und schreit in Todesnot um ihr Leben - allerdings vergeblich. Im letzten Teil des Werkes wird der Sarg der Witwe Pápai auf einem Wagen durch das Friedhofstor geschoben. Ligetis 1953 entstandene Komposition durfte in Ungarn vor allem wegen der harmonischen Kühnheiten des Mittelteils zunächst nicht aufgeführt werden.

Vytautas Miškinis'; 1994 entstandenes Pater noster konnte das Junge Vokalensemble Hannover bereits 1997 beim Internationalen Kammerchorwettbewerb in Marktoberdorf in einem Atelier unter Leitung des litauischen Komponisten einstudieren und sogar gemeinsam mit zwei Chören aus Ungarn und den USA zur Aufführung bringen. Diese sehr eigenwillige Vertonung des "Vater unser" wurde zu einem von unserem Chor gern gesungenen Werk, das die Zuhörer mit der ganzen Bandbreite zwischen meditativ-minimalistischen und ekstatischen Anteilen immer wieder tief berührt hat.

Miskinis benutzt neben traditionellen Elementen, z. B. fugenartigen Passagen, Homophonie und harmonisch eingängigen Stellen, auch Clustertechniken, pulsierende Klangflächen, minimalistische Abschnitte, improvisatorische Soloeinwürfe sowie gesprochene bzw. geflüsterte Teile. Der bis zur 15-Stimmigkeit geteilte Chor kann alle dynamischen Schattierungen präsentieren. Überhaupt beeindruckt die sensible, immer inhaltsbezogene Wort-Ton-Ausdeutung durch den Komponisten.

Giuseppe Verdis Pater noster ("O Padre nostro") hat der Chor erstmals 1998 in einem von Frieder Bernius geleiteten Atelier auf dem Weltchorfestival "Zimriya" in Jerusalem/Israel einstudiert und gemeinsam mit zwei israelischen Chören aufgeführt. Der italienische Komponist wählt im Vergleich zu Miskinis eine ganz andere, vom italienischen Belcanto und von opernhaften Gesten durchdrungene Tonsprache.

Rosario/Zamoras philippinisches Liebeslied Minsan lang kitang iibigin ("Nur einmal werde ich dich lieben") hat das Junge Vokalensemble Hannover erstmals 1995 beim International Eisteddfod in Llangollen/Wales von den University of Santo Tomas-Singers, Manila/Philippinen gehört. Durch die von beiden Chören jeweils gewonnenen 1. Preise in verschiedenen Kategorien, einen gemeinsamen Fernsehauftritt und weitere Begegnungen entstand eine enge Freundschaft zu diesem Chor, der sogar zu unserem Partnerchor wurde. Wir luden die UST-Singers im Rahmen der EXPO-Konzertreihe "Doubles" zur Weltausstellung EXPO 2000 nach Hannover ein und gaben zusammen mehrere Konzerte während der EXPO im Sommer 2000. Die gemeinsamen Aufführungen von Minsan lang kitang iibigin, Mendelssohn Bartholdys 100. Psalm sowie von James Erbs berühmtem amerikanischen Folk Song Shenandoah gehörten zu den Höhepunkten der Chorbegegnung.

Erb verewigt in diesem melodiösen, alten Seefahrerlied nicht nur die wunderschöne Landschaft des Shenandoah River in den Appalachian Mountains, sondern auch die letztlich glückliche Liebe eines weißen Trappers zu der gleichnamigen Tochter eines Indianerhäuptlings.

Mit Eric Whitacres Water night (komponiert 1995) und Morten Lauridsens O magnum mysterium (1994) sind zwei Werke von zeitgenössischen amerikanischen Komponisten vertreten, die eine sehr persönliche und vor allem harmonisch unmittelbar berührende Tonsprache gefunden haben. Beide Komponisten stehen für einen immer von der Singstimme und der melodiösen Linie her gedachten, zumeist homophonen Stil, der durch Steigerungen und Akkordschichtungen zum Teil orgelartige Wirkungen erzielt. So schafft Lauridsen eine nachhaltige Vertonung des "großen Geheimnisses" der Geburt Jesu ("O magnum mysterium") und Whitacre mit "Water night" eine inspirierte, harmonisch reizvolle Umsetzung der metaphernreichen, surrealistischen Textvorlage des mexikanischen Literatur-Nobelpreisträgers Octavio Paz.

Morten Lauridsens Komposition gehört wie auch Willcocks~ freudig bewegtes englisches Weihnachtslied-Arrangement Tomorrow shall be my dancing day mit langem, unkonventionellen Sopran-Solo und Praetorius~/Sandströms Es ist ein Ros entsprungen zur weihnachtlichen Chormusik. Der Schwede Sandström hat unter Zitieren der einzelnen Choralzeilen des originalen Praetorius-Satzes ein unmittelbar ansprechendes Werk geschaffen, das vor allem durch den bis zur Dreizehnstimmigkeit geteilten Tutti-Summchor beeindruckt. Sandström nutzt geschickt nahezu den gesamten Tonraum aus und baut mehrfach überwiegend pentatonisch geprägte Akkordschichtungen auf, die vom tiefen Bass bis zum hohen Sopran reichen. Vor diesem sphärisch anmutenden Untergrund kann sich der von einem Auswahlchor gesungene Praetorius-Satz mühelos entfalten.

Vielfache Teilung des Chores zeichnet auch das mitreißende Spiritual Ezekiel saw de wheel des Amerikaners William Dawson aus, der im zweiten Teil die rotierenden Bewegungen des Gotteswagens tonmalerisch anschaulich nachzeichnet. Auch dieses vom Wechsel des Männer- und Frauenchores geprägte Stück gehört zu den von uns gern gesungenen und ausgezeichneten Werken (zum Beispiel beim Deutschen Chorwettbewerb 2002 in Osnabrück).

Tschaikowskys Blazheni yazhe izbral hatten wir anlässlich eines Austauschs mit dem Chor der Akademischen Musikfachschule des Tschaikowsy-Konservatoriums Moskau (2003) und für eine Konzertreise nach Russland (2004, hier im Rahmen des Kulturprogramms "Jahr der deutschen Kultur in Russland") in unser Programm genommen. Der russische Komponist fordert zum Lobpreis Gottes das gesamte Spektrum der stimmlich-dynamischen Möglichkeiten und erzielt dadurch sowohl erhabene als auch mystische Wirkung.

Die von Heinrich Schütz 1648 in der Sammlung "Geistliche Chormusik" veröffentlichte Motette So fahr ich hin zu Jesu Christ rundet den geistlichen Teil ab. Sie steht als frühbarocke, weitgehend polyphone Motette stellvertretend für den deutschen Kulturkreis.

Eine ganz andere Klangwelt berührt John Rutter mit It was a lover and his lass. Der populäre englische Komponist benutzt zur Vertonung des Shakespeare-Textes harmonische und rhythmische Elemente des Jazz (Swing-Feeling, Tempoangabe "nonchalant") und erzielt mit diesem heiteren Liebeslied auch unter Zuhilfenahme von dem Jazzbereich entlehnten Tonsilben eine anmutig-erfrischende Wirkung.

Den sicher bekanntesten Song Südafrikas, The lion sleeps tonight, haben wir in einem Arrangement von Roger Emerson erstmals 2002 beim Weltchorfestival "Festival Mundial de Coros" in Puebla/Mexiko kennen gelernt, dort vorgetragen von einem chilenischen Chor. Zur Unterstützung des perkussiven Charakters haben wir mit Djembe und Bongos zwei charakteristische Schlaginstrumente dazu genommen, außerdem singt eine Solistin die hohe Sopran-Oberstimme.

Claude Debussys Chanson Dieu! Qu'il la fait bon regarder lernten wir 1998 während eines Meisterkurses Dirigieren bei Gary Bertini auf dem Weltchorfestival "Zimriya" in Jerusalem/Israel kennen. Debussy verwendet hier die altfranzösische Sprache für eine bilderreiche Darstellung einer wunderschönen Frau - eine Hymne an das Weibliche.

Friedrich Silchers homophon-schlichte Vertonung des Gedichts Die Loreley von Heinrich Heine steht für die deutsche Männerchor-Tradition des 19. Jahrhunderts. Die Sage von der verführerischen Rheinhexe ist zugleich der Inbegriff der deutschen Romantik. Dieses bekamen wir auch durch die begeisterten Reaktionen des Publikums auf die Darbietungen dieses Chorsatzes im Ausland zu spüren, z. B. in Ägypten, Österreich und Mexiko.

Deutsche Volkslieder sind durch drei Beispiele vertreten. Brahms~ anrührende Bearbeitung von Wach auf, meins Herzens Schöne gehört zu seinen bekanntesten Stücken. Helmut Kochs Lügenmärchen ist eine mitreißende Vertonung des Nonsens-Textes "So geht es in Schnützelputzhäusel". Und schließlich arrangiert mit Ralph Hoffmann auch ein Chormitglied das bekannte Volkslied Es klappert die Mühle und schafft eine facettenreiche und persönlich geprägte musikalische Umsetzung.

Den Abschluss dieser CD bildet ein stimmungshaftes Abendlied aus Namibia: das Magaliesburgse Aandlied. Dieses Stück hörten wir erstmals beim Internationalen Chorwettbewerb 2001 in Spittal/Österreich, beeindruckend gesungen vom Kammerchor der Universität Pretoria.

Gerade der Besuch von internationalen Festivals und Wettbewerben öffnet uns immer wieder den Blick auf neue "Klangwelten" ...

Klaus-Jürgen Etzold

 

Die Musikredaktion von NDR 1 Niedersachsen befasst sich seit Jahren mit der niedersächsischen Musikszene und hat schon mit zahlreichen Ensembles und Solisten aus unterschiedlichen Musikbereichen Aufnahmen gemacht, die als CD veröffentlicht wurden. Dabei werden junge Künstler oder Nachwuchsklangkörper ebenso berücksichtigt wie bereits etablierte Künstler und professionelle Orchester.

NDR 1 Niedersachsen hilft den Musikschaffenden dabei, bekannt zu werden und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur musikkulturellen Entwicklung des Landes Niedersachsen.

Rudolf Krieger, Leiter Musikland-Redaktion NDR 1 Niedersachsen

Seite zuletzt geändert am 31.10.2022, 19:43